Verkehrsrecht Leipzig

Freispruch vor dem Amtsgericht Leipzig - Zeuge "erkennt" Unbeteiligte in Hauptverhandlung als angebliche Täterin "wieder"

Unsere Mandantin soll sich als Fahrerin eines Pkw unerlaubt vom Unfallort entfernt haben. Im Ermittlungsverfahren schreibt die - zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretene - Mandantin, Halterin des mutmaßlich unfallbeteiligten Pkw, in einen ihr von der Polizei zugesandten Zeugenfragebogen auf die Frage nach dem Fahrer "Fahrer wie Halter" und sendet den Bogen an die Polizei. Es ergeht auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein Strafbefehl des Amtsgerichtes Leipzig wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Dagegen legt die Angeklagte durch ihren Verteidiger Einspruch ein. Zur Hauptverhandlung bringen Angeklagte und Verteidiger drei der Angeklagten ähnliche Vergleichspersonen mit. Der Verteidiger beantragt vor Hauptverhandlungsbeginn und in Abwesenheit des Hauptbelastungs- und Identifizierungszeugen eine Änderung der Sitzordnung im Verhandlungssaal. Er erwirkt, dass alle Vergleichspersonen und die Angeklagte über die Dauer der Verhandlung auf der Anklagebank Platz nehmen dürfen. Die Angeklagte macht sodann in der Verhandlung von ihrem Recht Gebrauch, sich nicht zur Sache zu äußern. Da im Ermittlungsverfahren bisher keine Täteridentifizierung stattgefunden hat, muss die erstmalige Identifizierung nun in der Hauptverhandlung durch den zu diesem Zwecke vom Gericht geladenen Zeugen erfolgen. Dieser behauptet, die dem Richter auf der Anklagebank am nächsten sitzende Person ziemlich sicher als Fahrerin zu erkennen. Es handelt sich dabei nicht um die Angeklagte, sondern eine unbeteiligte Vergleichsperson. Das Gericht macht den von der Angeklagten beantworteten Zeugenfragebogen zum Gegenstand der Hauptverhandlung. Der Verteidiger widerspricht der Verwertung dieses Fragebogens zu Beweiszwecken wegen eines von ihm geltend gemachten Beweisverwertungsverbotes. Denn, so der Verteidiger, die Angeklagte habe als Halterin des Pkw von Anfang an zum Kreis der Verdächtigen gehört. Die Polizei habe in Wahrheit gegen die Angeklagte zum Zeitpunkt der Versendung des Zeugenfragebogens einen Anfangsverdacht gehabt oder hätte ihn zwingend haben müssen. Die Angeklagte habe daher von Anfang an auch korrekt über ihre Verfahrensstellung als Beschuldigte, ihr daraus folgendes vollständiges Aussageverweigerungsrecht und ihr Konsultationsrecht hinsichtlich eines Verteidigers belehrt werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, dürfe ihre schriftliche Einlassung als "Zeugin" nicht verwertet werden. Das Amtsgericht spricht die Angeklagte aus tatsächlichen Gründen frei. Der Zeuge habe sie nicht wiedererkannt. Ihr Schreiben unterliege einem Beweisverwertungsverbot und sei unabhängig davon inhaltlich nicht ausreichend, die Äußerung auf den konkreten Vorfall zu beziehen, so das Amtsgericht (Amtsgericht Leipzig, Urteil vom 15.01.2019, Az.: 201 Cs 501 Js 22033/18).

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